Als "Freiburger Stromrebellen" macht eine Energie-Genossenschaft aus Süddeutschland von sich reden, die sich das Ziel gesteckt hat, Anteile am fünftgrößten Stromversorger Deutschlands, der Thüga AG, zu erwerben. Vorstandsmitglied Dr. Burghard Flieger von der „Energie in Bürgerhand eG“ erklärt im Interview, wie man als normaler Bürger schon mit 500 Euro Miteigentümer an der Thüga AG werden kann.
100 Millionen Euro bei interessierten Bürgern einzusammeln und beim liberalisierten Energiemarkt mitzupokern - Woher kommt so viel Elan für ein derart ungewöhnliches und bislang einmaliges Projekt?
Burghard Flieger: Die Motivationen der Engagierten bei Energie in Bürgerhand sind sehr breit gestreut. Unzufriedenheit mit der Energiepolitik der meisten Energieversorger schweißt uns am stärksten zusammen. Hier Zeichen zu setzen und in Kooperation mit den Stadtwerken zu zeigen: Es geht anders – das gibt uns richtig `Energie`. Gelingt der Einstieg, wäre dies bundesweit ein durchschlagendes Signal für mehr Bürgerbeteiligung und den schnelleren Aufbruch in eine nachhaltige Energiewirtschaft. Die einmalige Chance, dies in großem Stil umzusetzen und der Erfolg, dafür von über 5.000 Menschen Zusagen in Höhe von über 26 Mio. erhalten zu haben, stärkt unseren Elan.
Wie und zu welchen Konditionen kann man als ganz normaler Energieverbraucher bei Ihnen Mitglied und zugleich Miteigentümer an einem Energiekonzern werden?
Burghard Flieger: Jeder Interessierte kann Mitglied der EiB, Energie in Bürgerhand eG, werden. Der übliche Weg ist, eine Einverständniserklärung auszufüllen und der EiB zuzusenden. Die Vorlage dafür steht im Internet unter www.energie-in-buergerhand.de. Der dort einzutragende Geldbetrag muss durch 500 Euro teilbar sein. Im Idealfall wird gleichzeitig ein Betrag, ebenfalls durch 500 Euro teilbar, auf eines der benannten Treuhandkonten überwiesen. Erst bei erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen, wird dieses Geld zu Genossenschaftsanteilen.
Gesetzt den Fall, der Coup einer Beteiligung gelingt. Verhalten sich genossenschaftliche Anteilseigner Ihrer Meinung nach automatisch anders als Aktionäre, die ausschließlich Gewinn erwarten – oder anders gefragt – wie können von einer Minderheitsbeteiligung an einem Energieriesen Impulse für den ökologischen und sozialen Umbau der Energiewirtschaft ausgehen?
Burghard Flieger: Das hohe Interesse am Engagement der Energie in Bürgerhand beruht nicht allein auf politischen Motiven. Die Beteiligung an der Thüga ist nach den Betrachtungen der Vergangenheit eine relativ sichere und rentable Geldanlage. Um trotz Renditeinteressen auf jeden Fall Geld für Investitionen in nachhaltige Energieversorgung zur Verfügung stehen zu haben, müssen laut Satzung 10% des Gewinns dafür eingesetzt werden. Wichtiger noch ist uns bei den Gesprächen über den Einstieg, Optionen in Richtung Ökobeirat und Nachhaltigkeitsberichte abzuklären. Damit wären bei der Thüga Instrumente verankert, die einen Aufbruch in die nachhaltige Energiewirtschaft demonstrieren.
Was passiert mit den Einlagen der Genossenschaftsmitglieder, sollte der Kauf nicht gelingen?
Burghard Flieger: Laut Treuhandvertrag wird das Geld zurückgezahlt, wenn der Einstieg in die Thüga bis Ende dieses Jahres nicht gelingt. Allerdings liegen uns zahlreiche Anfragen vor, doch in andere Stadtwerke und lokale Energienetze ökologisch hochwertig zu investieren. Dies würden wir prüfen und bei einer wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Option, die Geldgeber und zukünftigen Genossenschaftsmitglieder fragen, ob sie bereit sind, das Geld auch für diesen Zweck einzusetzen. Ich bin da optimistisch, dass sich hier spannende Möglichkeiten eröffnen würden. Unser eindeutiges Anliegen und unser Engagement konzentrieren sich gegenwärtiges aber ganz auf den Einstieg in die Thüga.
Für die Medien sind die Stromrebellen vielleicht nur ein Strohfeuer - Sehen Sie in Teilhaber- Genossenschaften generell ein Zukunftsmodell für den Energiemarkt?
Burghard Flieger: Bei Energiegenossenschaften gibt es zurzeit eine Gründungswelle. Viele Bürger sehen dies bereits jetzt als relevante Alternative. Unter www.energiegenossenschaften-gruenden.de lässt sich dazu einiges finden. Bürgerbeteiligung, regionale Wertschöpfung und Klimaschutz werden an Bedeutung rasant wachsen. Energiegenossenschaften sind dafür das einzige wirklich rundum passende Zukunftsmodell.
Link zu "Energie in Bürgerhand" |